„Voll verzuckert – That sugar film“* ist ein Dokumentarfilm über den Haushaltszucker und seine Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Der australische Regisseur Damon Gameau lässt sich auf ein spannendes Experiment ein. Er isst 60 Tage lang genauso viel Zucker wie der australische Durchschnittsbürger, nämlich 40 Teelöffel täglich. Er erfährt am eigenen Leib was sein täglicher Zuckerkonsum mit seiner Gesundheit und Psyche anstellt. Ein wirklich sehenswerter Film, der mit viel Witz über Zucker und seine Folgen aufklärt.
60 Tage lange will Damon täglich 40 Teelöffel Zucker essen, das entspricht ca. 160 g Zucker täglich. Das ist die Menge, die der Durchschnittsaustralier in etwa täglich zu sich nimmt. Diese Zahlen sind nicht nur in Australien alarmierend, auch in Deutschland ist der tägliche Zuckerkonsum bereits recht hoch. Der Durchschnittsdeutsche nimmt 131 g Zucker täglich, also ca. 33 Teelöffel zu sich. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt in ihren neusten Richtlinien von 2015 aber maximal 6 Teelöffel, also ca. 25 g Zucker am Tag zu essen.
Aber nicht mit Süßem, Fastfood oder Limonade holt Damon sich seine tägliche Zuckerdosis.
Ganz im Gegenteil – er verzichtet auf offenkundig süße Lebensmittel. Seine tägliche Zuckerdosis nimmt er mit vermeintlich gesunden Lebensmitteln zu sich, zum Beispiel mit Müsliriegeln oder Fruchsmoothies. Diese versteckten Zucker sind auch das größte Problem. Viele Menschen trinken einen Fruchtsaft oder essen ein Müsli in der Absicht ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Leider ist das Gegenteil der Fall. Damon hält sich während der ganzen 60 Tagen an die Regel hauptsächlich fettarme Lebensmittel zu essen. Außerdem behält er auch sein normales Fitnesstraining bei. Zur Sicherheit und Kontrolle wird er von Ernährungsberatern, Ärzten und Wissenschaftlern begleitet.
Am Anfang des Films klärt Damon über die unterschiedlichen Zuckerarten und die Geschichte des Zuckers auf. Zucker war früher nur in kleinen Mengen in der Natur verfügbar. Wann immer der Mensch auf Zucker stieß, hat er den Energielieferanten gegessen. In diesen kleinen Mengen war der Zucker auch noch kein Problem. Erst die ständige Erreichbarkeit und die Beimischung in so viele Lebensmittel machte den Zucker zu unserem Feind.
Der Anfang einer Fettleber – schon nach 18 Tagen
Welche Folgen der Zuckerkonsum auf unseren Körper hat, wird im Film auf spannende Art und Weise veranschaulicht. Damon Gameau reist als kleiner Mann durch den menschlichen Körper und erklärt so den Einfluss des Zuckers auf unsere Organe. Aber nicht nur was mit dem Zucker in unserem Körper geschieht, auch die psychischen Veränderungen erklärt er. Schon nach einigen Tagen hohen Zuckerkonsums leidet Damon an Stimmungsschwankungen, er erlebt ein ständiges auf und ab. Der Zucker lässt seine Stimmungskurve rasend schnell ansteigen und er ist ca. 45 Minuten voller Energie. Er ist völlig überdreht, was nicht mit guter Laune verwechselt werden darf. Genauso schnell wie seine Stimmungskurve ansteigt, fällt sie dann aber auch wieder ab. Lustlosigkeit und Antriebslosigkeit sind die Folge. Um da wieder raus zu kommen, folgt jetzt die nächste Zuckerdosis und alles beginnt von vorne. Viele Menschen leben mit diesem täglichen auf und ab, sie merken nicht einmal, dass diese Stimmungsschwankungen nicht normal sind.
Der Filmemacher erforscht aber nicht nur die Folgen auf seinen eigenen Körper, er reist auch an die verschiedensten Orte um dem Zucker auf die Schliche zu kommen.
Aborigines-Dorf Amata im Norden von Australien
Amata ist eine Kleinstadt in Nord-Australien in der Aborigines leben. Die dort lebende Bevölkerung hat im Jahr 2007 40’000 Softdrinks konsumiert. Nachdem die gesundheitlichen Folgen für das sich sonst so natürlich ernährende Volk verheerend waren, wurde die Notbremse gezogen. Die Initiative „MAI WIRU“ (gutes Essen) wurde gegründet und Coca Cola und andere Süßigkeiten aus den Lebensmittelläden verbannt. Es wurden gratis Wasserspender aufgestellt und Ernährungsberater klärten die Bevölkerung über gesunde Ernährung auf. Innert kürzester Zeit wurde Amata die Stadt mit dem geringsten Zuckerkonsum in der Region. Trotz diesem großen Erfolg kürzte die Regierung die Fördergelder, Ernährungsberater wurden gefeuert und viele der dort lebenden Menschen kehrten ohne Aufklärung wieder zum zuckerhaltigen Konsum zurück. Diabetes und Nierenversagen fordert als Folge auf den hohen Zuckerkonsum bereits Tote in Amata. Viele davon waren noch nicht einmal 40 Jahre alt.
Die USA gehört mit über 160 g Zucker pro Tag weltweit zu den Spitzenreitern
Was Damon in den USA erlebte, ist kaum zu fassen. Gleich nach seiner Ankunft trinkt er einen vermeintlich gesunden Obstsmoothie mit 34 Teelöffel Zucker. Um auf diesen hohen Zuckergehalt zu kommen, müsste Damon 4 Pfirsiche, 9 Limetten, 30 Zitronen und 30 Erdbeeren essen.
In einem anderen Beispiel zeigt Damon Gameau die Folgen von hohem Zuckerkonsum seit Kindesbeinen an. Mountain Dew, ein Softdrink von Pepsi, enthält in einer 1,25 Liter Flasche 37 Teelöffel Zucker und 40% mehr Koffein als die gleiche Flasche Coca Cola. Dieses Getränk wird von dem Lebensmittelriesen fleißig beworben und auch schon von Kleinkindern in hohen Mengen konsumiert. Die Auswirkungen auf die Zähne der Betroffenen sind enorm. Ein Betroffener besitzt bereits mit 17 Jahren nur noch faule Zahnstummel. Alle seine Zähne müssen gezogen und durch ein komplett neues Gebiss ersetzt werden. Auf Nachfrage sagt Pepsi, dass „Mountain Dew in Maßen getrunken zu einer ausgewogenen Ernährung beiträgt.“
Aber Pepsi ist nicht der einzige Lebensmittelriese der nur an seinen Profit denkt
In der Branche wird vom sogenannten „Glückspunkt“ gesprochen. Das ist der Punkt, an dem der ideale Zuckeranteil für einen reissenden Absatz eines Produkts erreicht wurde. Je höher der Zuckeranteil ist, desto beliebter ist das Produkt bei den Konsumenten. Das funktioniert bis zu einem gewissen Punkt, ab da bewirkt noch mehr Zucker das Gegenteil, das ist der Glückspunkt. Und diesen Punkt setzten die Entwickler ganz bewusst bei ihren neuen Lebensmittel-Kreationen ein um bereits die ganz Kleinen an den süßen Geschmack der Lebensmittel zu gewöhnen. Sie werden quasi schon im Kleinkindalter durch Fertigbrei und versüßtes Milchpulver mit der Droge Zucker angefixt.
Zuckersucht – gibt es sie wirklich?
Auch dieses Thema wird im Film angesprochen. Nicht mehr ganz unbekannt ist auch bei uns, dass Forscher eine erschreckende Entdeckung gemacht haben. In verschiedenen Experimenten reagierten Ratten heftiger auf Zucker als auf Kokain. Sie waren also süchtiger nach Zucker als nach Kokain. Nachgewiesen wurde längst, je mehr Süßes wir essen, je öfter verlangt unser Körper danach. Das ist der normale Teufelskreis bei jeder Sucht. Zuckersucht war noch bis vor wenigen Jahren ein Tabuthema. In den letzten zwei Jahren wurde die Sucht aber immer bekannter und es finden sich auch bei uns vermehrt Ratgeber zu diesem Thema.
Nach 60 Tagen und 2360 Teelöffeln Zucker beendet Damon sein Experiment
Sein gesundheitlicher Zustand ist erschreckend. Er hat nicht nur eine beginnende Fettleber die zu Diabetes führen kann. Auch sein Fettwert im Blut hat sich von gesunden 0,08 auf 1,5 erhöht. Er nimmt in nur 2 Monaten 8,5 kg zu, sein Körperfettanteil steigt um 7 % und sein Bauchumfang vergrößert sich um 10 cm.
Erschreckend sind aber nicht nur die körperlichen Auswirkungen des Zuckers. Erschreckend ist auch das Fazit über seinen Gemütszustand der letzten 60 Tage. Sein Körper hat zwar funktioniert, war aber nicht leistungsfähig. Damon war die letzten Wochen stark reizbar und erschöpft. Er erlebte ein ständiges auf und ab, seine Stimmung wechselte rasend schnell zwischen Überdrehtheit und Niedergeschlagenheit. Nicht nur er, sondern auch seine Partnerin war heilfroh, als er sein Experiment beendete.
Der Entzug in den ersten Wochen war hart. Er hatte mit Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Schlafstörungen und Heißhunger auf Zucker zu kämpfen. Nach 2 – 4 Wochen verschwand das Verlangen nach Zucker aber wieder vollständig. Und nach 2 Monaten Zuckerabstinenz bekam er auch wieder seine Lebensfreude und reine Haut zurück. Seine Fettleber bildete sich zurück und auch sein Blutzuckerwert verbesserte sich.
Vor einiger Zeit habe ich auch bei mir eine Zuckersucht festgestellt. Erst der vollständige Verzicht über mehrere Monate hinweg, konnte mein Verlangen danach eindämmen. Heute esse ich wieder Zucker, aber nur in kleinen Mengen und sehr selten. Vor allem Süßigkeiten wie Schokolade oder Eiscreme lösen noch heute einen sofortigen Zuckerhype bei mir aus. Dann weiß ich, es ist wieder Zeit darauf zu verzichten.
Für alle, die sich wie ich kritisch mit Zucker und seinen Folgen auseinandersetzen, ist dieser Film ein Muss. Er öffnet uns die Augen über vermeintlich gesunde Lebensmittel und hilft einem den eigenen Zuckerkonsum kritisch zu betrachten. Wenn es nach mir ginge, würde der Film zur Aufklärung in allen Schulen gezeigt werden. Aber so weit sind wir in unserer verzuckerten Welt leider noch lange nicht.
„Voll verzuckert – That sugar film“ lief bei uns in Deutschland 2015 in den Kinos, jetzt könnt ihr ihn auf DVD kaufen*. Schaut euch den Film an oder lest das Buch* dazu. Damon Gameau führte während seines Experiments auch ein Tagebuch. Mehr Infos dazu findet ihr auf seinem Blog www.thatsugarfilm.com/blog.