Schokolade, Eiscreme, Bonbons, Kuchen oder auch Kekse – ich liebe alles was Zucker enthält und das eigentlich schon immer. Oft habe ich diese Süßigkeiten ohne Maß zu mir genommen, ganz einfach weil ich Lust drauf hatte oder sie mir ein großer (vermeintlicher) Trost waren. Lange Zeit habe ich nicht gemerkt, was der Zucker mit mir macht und was da genau vor sich geht. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass ich zuckersüchtig bin und dass es vielen anderen da draußen genau so geht.
Bis vor einigen Jahren dachte ich immer, dass ich schön und schlank wäre, wenn ich es nur endlich schaffen würde, keine Süßigkeiten mehr zu essen. Deshalb habe ich unzählige Male versucht, dem Zucker einen Riegel vorzuschieben. Richtig lange haben die zuckerfreien Phasen aber nie angehalten, spätestens nach ein paar Tagen war ich dem Süßkram wieder hilflos ausgeliefert. Und mit hilflos meine ich auch hilflos, ich konnte mich nicht dagegen wehren und der erste Keks war schneller wieder in meinem Mund als ich darüber nachdenken konnte. Natürlich ist es dann nie bei einem Keks geblieben, hemmungslos habe ich in kürzester Zeit die ganze Packung verschlungen. Danach folgte dann der Selbsthass, die Scham und die Vorwürfe. Wieso schaffe ich es nicht, nur einen Keks zu essen, wieso muss es immer gleich die ganze Packung sein und wieso kann ich nicht einfach damit aufhören?
Tankstellen und Süßigkeitenautomaten waren meine „partner in crime“
In meinen schlimmsten Phasen bin ich sogar spät Abends noch an die Tankstelle gefahren. Der Zuckerhype war einfach zu stark und es war mir egal, wie viel Uhr es war. Wenn die Tankstelle schon geschlossen war, bin ich halt auf Süßigkeitenautomaten ausgewichen. Diese stehen bei uns an jedem Bahnhof und waren immer meine letzte Rettung. Die waren mir sowieso lieber, ich hab mir nämlich immer Gedanken darüber gemacht, was wohl die Verkäuferin über mich und meinen Einkauf denkt. Und ich kann dir versprechen, diese Gedanken waren überhaupt nicht nett. „Wie typisch, ist ja klar, dass die Dicke so aussieht, wenn sie nur solche Sachen kauft.“ – diese Gedanken gehörten noch zu den harmlosesten Vorstellungen in meinem Kopf. Doch egal wie spät es war und wie groß meine Scham war, es hat mich nie davon abgehalten trotzdem Eiscreme, Kekse und Schokolade in rauen Mengen einzukaufen. Zuhause hab ich dann nach und nach alles aufgegessen, im besten Falle hat mir so ein Einkauf bis zum nächsten Abend gereicht. Meist habe ich aber sofort und ohne Zurückhaltung alles aufgegessen. Ob mir danach nicht schlecht war fragst du dich jetzt? Natürlich war mir schlecht, mein Mund war klebrig und gereizt und trotzdem konnte ich nicht damit aufhören.
Mit dem Essen war es aber noch nicht getan, danach folgte das Vernichten und Verstecken von den Verpackungen. Ich wollte auf keinen Fall, dass jemand am nächsten Morgen die Überreste von meinen Zuckerexzessen fand. Als Kind und Jugendliche habe ich die Verpackungen immer in eine große Plastiktüte gesteckt, in meinen Rucksack gepackt und auf dem Weg zur Schule in einem öffentlichen Mülleimer entsorgt. Später habe ich die Plastiktüten, voll mit den Zeugnissen meiner Sucht, im Auto gebunkert und unterwegs zur Schule oder Arbeit entsorgt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele solche Plastiktüten ich still und heimlich an Tankstellen, Supermärkten oder Rastplätzen im Mülleimer entsorgt habe.
Verschieden Methoden die ich ausprobiert habe
Bei Süßigkeiten fällt es mir einfach unglaublich schwer Maß zu halten. Und man kann nicht behaupten, dass ich nicht vieles probiert hätte. Egal was ich über das Thema Abnehmen und Süßigkeiten irgendwo gelesen oder gehört habe, ich habe es ausprobiert. Eine Zeitlang habe ich mir jeden Morgen vor der Arbeit einen Keks oder ein Stück Schokolade gegönnt. Ich dachte, so hätte ich meine Zuckerbestie bereits am Vormittag beruhigt und käme ohne Schwierigkeiten durch den Tag. Ein anderes mal habe ich versucht immer nach dem Mittagessen ein Stück Schokolade zu essen. Ich habe einen Süßigkeitentag in der Woche eingelegt oder mit viel Disziplin auch mal ein paar Tage am Stück auf Zuckerhaltiges verzichtet. Lange angehalten hat es aber nie und die Zuckerbestie hat immer wieder über mich gesiegt. Nach den missglückten Versuchen waren meine Zuckerphasen immer noch schlimmer als vorher. Man könnte fast meinen, dass ich versucht habe, alles nachzuholen, worauf ich in den Tagen vorher verzichtet habe. Irgendwann mit Mitte 20 habe ich mich meiner Zuckerbestie dann ergeben und keine Gegenwehr mehr geleistet. Das war auch die Zeit, in der ich nochmal eine Menge an Gewicht zulegt habe.
Ich wusste einfach nicht mehr weiter und dachte bei mir ist das halt einfach so. Am liebsten hätte ich komplett auf’s Essen verzichtet, das hab ich zum Glück aber nicht geschafft und konnte mich so vor einer Essstörung in die andere Richtung bewahren. Ich war verzweifelt, mutlos und völlig ahnungslos, warum es mir so ging. Mein Aha-Erlebnis hatte ich erst, als ich über einen Artikel auf das Buch „Garantiert Gesundheitsgefährdend – Wie uns die Zucker-Mafia krank macht“ von Hans-Ulrich Grimm aufmerksam geworden bin. In seinem Buch habe ich zum ersten Mal etwas von einer Zuckersucht gelesen und mich in seinen Beschreibungen von Süchtigen wiedererkannt.
Das Zuckersuchtprogramm war meine Rettung
Jetzt war es passiert, ich wollte mehr zu dem Thema wissen und hab Stunden vor dem Computer im Netz verbracht. Irgendwann bin ich dann auf das Buch „Frei von Zuckersucht“ von Ruth Alice Kosnick gestoßen. Angelehnt an das 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker hat sie ein Zuckersuchtprogramm entwickelt. Es enthält 10 Schritte, mit denen die Zuckersucht besiegt werden kann. Mit Hilfe dieses Buch habe ich es dann vor ungefähr 4 Jahren zum ersten Mal geschafft über längere Zeit auf jeden Zucker zu verzichten. 9 Monate lang habe ich völlig zuckerabstinent gelebt und Datteln als süßen und gesunden Ersatz für mich entdeckt. Anfangs war es sehr anstrengend und ich war oft aufgewühlt. Durch die verschiedenen Schritte habe ich gelernt, mich mit mir selber auseinanderzusetzen und auf meinen inneren Mentor zu vertrauen. Vor allem die ersten Tage waren hart, ich war völlig auf Entzug (ja, ich rede immer noch von Zucker und nicht von einer anderen, anerkannten Droge). Ich hatte Kopfschmerzen, war psychisch in einem völligen Loch und hätte alles für einen Schokoriegel gegeben. Nach der ersten Woche wurde es aber schrittweise besser und ich habe mich immer wohler gefühlt. Es hat mir Spaß gemacht, wie ein Detektiv durch den Supermarkt zu schleichen, immer auf der Suche nach Zuckerfallen. Auch das Kochen und Backen habe ich in dieser Zeit neu für mich entdeckt, natürlich mit gesunden und zuckerfreien Alternativen.
Seit dem völligen Verzicht habe ich meine Zuckerbestie wieder im Griff. Es gibt sie immer noch, dessen bin ich mir bewusst und ich muss immer noch aufpassen, ihr nicht wieder völlig zu verfallen. Sobald ich merke, dass ich Abends am liebsten nochmal zur Tankstelle fahren möchte, lege ich wieder ein paar zuckerfreie Wochen ein. Bisher fahre ich damit ganz gut und finde immer wieder zu einer gesunden und zuckerfreien Ernährung zurück. Ich kann auch ohne Probleme an einem entsprechenden Anlass bei Kuchen und Torte zugreifen, ohne danach gleich wieder in einem Supermarkt mit einem Einkaufswagen voller Süßigkeiten gesichtet zu werden. Da ich im letzten Jahr aber öfter wieder kleine Rückfälle hatte, hab ich das neue Jahr mit sechs zuckerfreien Wochen begonnen. Aktuell bin ich am Anfang der zweiten Woche und arbeite auch wieder mit dem Buch. Es ist mir eine tolle Begleitung und zeigt mir auch dieses mal wieder auf, woran ich noch arbeiten muss. Wer weiß, vielleicht verlängere ich meine zuckerfreie Zeit nach den sechs Wochen auch nochmal? Das lasse ich mir noch offen und bin gespannt, wie die nächsten Wochen verlaufen werden.
Geht es dir genauso?
Vielleicht erkennst du dich ja in meinen Erzählungen ein bisschen wieder. Vielleicht gelingt es dir auch nicht, auf Süßigkeiten zu verzichten oder sie maßvoll zu genießen. Dann kann ich dir die zwei Bücher nur wärmstens ans Herz legen. Momentan bin ich auch auf der Suche nach Blogs, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen. Sobald ich meine kleine Sammlung interessanter und informativer Blogs zusammen habe, werde ich sie dir natürlich vorstellen.
Wenn du immer noch der Überzeugung bist, dass es sowas wie eine Zuckersucht überhaupt nicht gibt, dann muss ich dir leider widersprechen. Mittlerweile gibt es Studien zu diesem Thema, die gezeigt haben, dass Ratten auf Zucker genauso reagieren, wie auf Kokain. Die Ratten im Labor haben eine immer größere Menge an Zucker konsumiert und hatten nach einem völligen Verzicht auch Entzugserscheinungen. Zucker stimuliert, ähnlich wie Drogen, das Belohnungszentrum im Gehirn und macht es deshalb auch so schwer, wieder davon loszukommen. Ich finde es immer gut, wenn Studien solche Theorien untermauern. In diesem Fall hätte ich sie aber nicht gebraucht. Ich sehe täglich selbst an meinem Verhalten und meinen Reaktionen was Zucker mit mir macht und wie willenlos ich werde. Ich habe meiner Zuckerbestie den Kampf angesagt und hoffe, dass mich meine zuckerfreien Wochen wieder zum Erfolg führen.
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